Der lange Marsch: Grenada, Nicaragua, Seychellen, Jamaika

Seit mittlerweile 14 Jahren lebst du jetzt in Jamaika, was gefällt dir an dem Leben dort besonders, im Gegensatz hier zu Deutschland ?

Was mich immer fasziniert hat, von der Musik und von der Kultur her, das ist die Tradition des Widerstandes, also der Widerstand der Maroons gegen die Engländer, die nach 84 Jahren einen separaten Friedensvertrag bekommen haben.

Die andere Seite des Widerstandes, über den ich heute abend auch gelesen habe, das ist der Ananzi-Widerstand; was in Jamaika kein Gegensatz ist: Dies meint, dass man seinen Grips, seine List, seine Phantasie einsetzen oder einen Guerilla-Krieg führen muss, um an ein einigermaßen gutes Leben zu kommen .

Zum zweiten, was mir so gut gefällt, das ist die Musik, es war immer schon die Musik. In meinen Gedichtbänden, die ich im Knast geschrieben habe, habe ich mal als Motto der Kapitel Reggaetexte genommen. Damals gab es eine ganz gute WDR-Sendung wo sie relativ regelmäßig Reggae gebracht haben. Und ein Schulkamerad von mir aus dem Ratinger Gymnasium, hat damals beim Musik-Express gearbeitet. Er hat mir die beiden deutschen Musikmagazine immer umsonst zugeschickt.

Da habe ich zu mir gesagt: Also diese Texte vom Reggae, die sind ja dermaßen gut, sowohl vom Spirituellen als auch vom Kämpferischen her. Das ist eine Musik die in den Bauch geht und den Kopf gleichzeitig beschäftigt, wobei das keinen Widerspruch darstellte. (...)

1983 bin ich nach Grenada gegangen, ich wollte eigentlich unbedingt dorthin ziehen, das war unter Maurice Bishop, während der Revolution 1979.

1983 sind dort die Amis einmarschiert, und ich stand auf der Schwarzen Liste. Bis heute darf ich dort nicht wieder hin. (...)

Anschließend bin ich auf die Seychellen geflogen, dort sprach man ein französisches Patois, aber es war kulturell etwas langweilig, zwar wunderschön, aber langweilig.

Deshalb bin ich dann nach Nicaragua gegangen und zwar nach der Atlantikküste, nach Bluefield, wo 30.000 Jamaikaner seit 90 Jahren leben.

Sie sind damals mit der Standard Fruit Company gekommen, nicht um Bananen zu ziehen, sondern um Edelhölzer abzuholzen. (...)

Es war eine unglaublich lebendige Kultur im Osten, eine schwarze Kultur, eine karibische Kultur und die (ebenfalls dort lebenden) Misquitos konnte man von der Kultur her kaum von dieser unterscheiden.

Es war mitten im Bürgerkrieg. Wenn die Leute abends in die Disco gingen, hing ein Schild am Tresen: "Bitte Waffen hier ablegen". Sämtliche Bauern die aus dem Urwald kamen, legten dann die Kalaschnikoff ab, so bis zu 800 Knarren sammelten sich hinter dem Tresen und dann wurde der Mayball getanzt. Nicht der Mayball von der Schule, der Maitanz, sondern die Rubber-Dub-Version des Mayballs, die unanständige Fassung. Die Songs wurden auf Englisch gesungen, auch die jamaikanischen Volkslieder wie "Linstead Market" oder "Tomatoe Pumpkin Valley", die alle anrüchig und sexuell provozierend sind, wurden da gesungen und getanzt.

Das hat mir auch besonders an den Schwarzen gefallen, die waren ja da alle mitten im Bürgerkrieg, und die waren so schlitzohrig wie sie sich gegenüber den Sandinisten verhielten, denn sie waren alle in der Opposition. (...)

Diese Schlitzohrigkeit hat mir ungeheuer gefallen. Dann das gute jamaikanische Essen, toll auch die jamaikanischen Frauen. (...) 

Weil mir das Leben mit den Schwarzen (in Nicaragua und Grenada) so gut gefallen hatte, sagte ich mir dann, jetzt schaue ich mir mal ihr Mutterland an. Eine deutsche Ärztin die ich von Grenada her kannte, sagte, wenn du nach Jamaika gehst, dann gehe nach Portland, die Landschaft ist dort wie in Grenada; es ist viel ruhiger und relaxter und es gibt dort weniger Touristen. Also ging ich dorthin. Und das war ein guter Tip. Ich habe einen Monat in Port Antonio in der Unterstadt gewohnt, habe an der nahen Küste ein Haus gesucht und bin schließlich in Long Bay hängen geblieben, bis auf den heutigen Tag.

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